Brahms-Preisverleihung 2007

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Wonnevoll
Brahmspreisverleihung an Thomas Quasthoff in St. Bartholomäus – Versprechen: Ich komme wieder

Wesselburen – Einen kammermusikalischen Glanzpunkt im Dithmarscher Kulturkalender setzte die Brahmsgesellschaft Schleswig-Holstein gestern in Wesselburen, ein „hervorgehobendstes Ereignis“, wie es der Vorsitzender Prof. Eckart Besch formulierte. Ausnahme-Bariton Thomas Quasthoff „bedankte sich“ für die Auszeichnung mit dem Brahmspreis mit dem Liederzyklus Opus 32 von Johannes Brahms – und gab am Ende das Versprechen, wieder zu kommen. Quasthoffs ausdrucksstarke Stimme lässt die Leidenschaftlichkeit dieser Lieder durchklingen. Mit Opus 32 hat Johannes Brahms schwermütige, nachgerade selbstquälerische Liebeslyrik von August Graf von Platen und Gedichte des Persers Hafis mit bitter-süßer Erotik vertont und zu einer musikalisch-lyrischen Einheit zusammen gestellt. Die Singstimme durchläuft eine große Ausdrucksskala bis hin zu höchst expressiven Melodiebögen. Auch wenn der Mann mit der Ausnahmestimme am Ende ehrlich zugab, nicht in Bestform gewesen zu sein: Der Liederabend war – um es mit dem letzten von ihm gesungenen Wort zu sagen – „wonnevoll“. Das Publikum – St. Bartholomäus war bis auf den letzten Platz ausverkauft – erlebte vor allem auch ein sehr bewegendes Festkonzert. Bewegend sei, die Schönheit zu erleben, die in diesem Menschen versammelt ist, sagte der Schauspieler Christoph Bantzer in seiner Lobrede. Thomas Quasthoff sei unbestechlich der Kunst gegenüber, meinte Bantzer, der zurzeit unter anderem in Wedekinds „Lulu“ auf der Bühne des Hamburger Thalia Theaters steht und privat dem Brahmspreisträger freundschaftlich verbunden ist. „Aus welchem Universum schöpft der Mensch, um uns reich zu machen?“ Bantzer hielt eine sehr emotionale Rede, voller Bewunderung und Staunen für seinen singenden Freund. Zuvor intonierte der Havestehuder Kammerchor unter der Leitung von Claus Bantzer von Johann Sebastian Bach „Singet dem Herrn“ für achtstimmigen Doppelchor und aus den weltlichen Gesängen für Chor a capella von Johannes Brahms „Vineta“, „Darthulas Grabgesang“, „Von alten Liebesliedern“, „Dein Herzlein mild“ und „Nachtwache I“. Leichtfüßig und voller Transparenz gaben die Hamburger Musiker den Konzert-Auftakt. Rund 900 Musikliebhaber lauschten gespannt dem preisgekrönten Bariton, der selbst darauf hinwies, dass er es zu seiner wichtigsten Aufgabe zähle, dazu beizutragen, „dass die Gattung Lied nicht stirbt.“ Er wies auf seine Idee hin, in Berlin einen Liederwettbewerb zu gründen, und am Ende gab es jubelnden Beifall, als er seine kleine Indisponiertheit mit dem Versprechen entschuldigte, noch einmal in der Wesselburener Kirche zu singen, und zwar, wenn er in Bestform sei. „Das Versprechen gilt.“ Den Beweis dafür, was er selbst zuvor gesagt hatte, hatte er bereits geliefert: „Ohne Liederabend wäre nicht nur dieses Land erheblich ärmer.“ (Elko Laubeck)

Brahms und die Welt
Thomas Quasthoff im Gespräch

Heide (el) „Klar, liebe ich Brahms.“ Thomas Quasthoff lässt gleichzeitig durchblicken, dass die Gassenhauer-Frage „Lieben Sie Brahms?“ in dem Zusammenhang selten überflüssig sei. Er habe sich seit rund 30 Jahren mit Brahms beschäftigt. „Ich singe sehr viel Brahms und werde dies auch weiterhin tun.“ Nicht zuletzt deshalb ist er mit dem mit 10 000 Euro dotierten Brahmspreis der Brahmsgesellschaft Schleswig-Holstein ausgezeichnet worden. Auch wenn er schon mit vielen Preisen bedacht worden ist, ehrt es ihn. „Jede Auszeichnung ist eine schöne Auszeichnung“, sagt er am Tag vor der Preisverleihung bei einem Gespräch im Hotel Berlin in Heide. Das sei etwas wunderbares. Deshalb sei er gerne nach Dithmarschen gekommen. „Jetzt bin ich hier, ganz unspektakulär.“ Brahms sei wahrhaftig und erdverbunden. „Das kommt mir entgegen.“ Thomas Quasthoff plaudert über seine Pläne und sein Glück, in einer Situation zu sein, in der er sich die Rosinen herauspicken könne. Er arbeite mit den besten Orchestern zusammen, mit Dirigenten wie Claudio Abbado, Daniel Barenboim, Sir Simon Rattle oder Helmuth Rilling, und gibt unumwunden zu, dass er sich dies vor 20 Jahren nicht hätte träumen lassen. „Die schöne Magelone ist schön“, nennt er ein Beispiel aus dem Brahms-Repertoire, das er gerne einspielen möchte. Aber es ist ihm nicht immer nur um die Musik, das Schöne in der Welt gelegen. Wenn es schon um die Welt geht, kommt Thomas Quasthoff schnell auf die Politik zu sprechen, und die erscheint weniger schön. Es ist ihm plötzlich wichtig zu sagen, dass ihm der Bürgerkrieg im Gaza-Streifen Angst mache. Er hält nicht hinterm Berg mit Kritik an der US-Regierung und ihrer aggressiven Außenpolitik seit dem 11. September 2001. Beim Irak-Krieg gehe es letztlich nur um nationale amerikanische Interessen. Auch den Einmarsch in Afghanistan halte er für höchst fragwürdig. Der Westen solle sich aus diesen Ländern zurückziehen.

Zentrum der Brahms-Pflege in Deutschland

Wesselburen (el) Zu der ersten Reihe der Gratulanten zählte auch Peter Harry Carstensen. Bei der Preisverleihung würdigte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident die herausragende künstlerische Ausdrucksfähigkeit des Preisträgers: „Im solistischen Gesang steht die überzeugende Darstellung innerer seelischer Zustände im Vordergrund. Kaum ein Sänger bewegt seine Zuhörer so wie der Ausnahmekünstler Thomas Quasthoff.“ Carstensen nutzte die Gelegenheit, nicht nur dem Preisträger, sondern auch der Brahms-Gesellschaft zu gratulieren. Diese feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. „Die Brahms-Gesellschaft hat die Beziehungen von Johannes Brahms nach Schleswig-Holstein sichtbar gemacht, die dieser durch seine familiären Wurzeln bis nach Heide hatte.“ Die Gesellschaft mit Sitz in Heide habe ihren Teil zu einem landesweiten Netzwerk rund um Brahms und sein Wirken beigetragen. Hierzu zählten das Brahms-Institut und das Brahms-Festival an der Musikhochschule Lübeck sowie die Erarbeitung einer neuen Brahms-Gesamtausgabe am Musikwissenschaftlichen Institut der Christian-Albrechts-Universität Kiel. „Schleswig-Holstein ist zu einem Zentrum der Brahms-Pflege und -Forschung in Deutschland geworden, das heute internationales Renommee besitzt.“