Musikalische Glanzleistung

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Pianistin Shin-Heae Kang verzaubert das Publikum

Sie sieht nicht so aus. Und ihr Name hört sich nicht so an. Aber sie ist eine echte Norddeutsche – die Pianistin Shin-Heae Kang. Die als Tochter koreanischer Eltern geborene Kielerin verzauberte am Sonntagnachmittag – am Tag ihres 28. Geburtstags – das begeisterte Publikum beim lange ausverkauften Museumskonzert der Brahms-Gesellschaft auf der Museumsinsel Lüttenheid.

Shin-Heae KangDer Ruf ihrer pianistischen Hochbegabung war Shin-Heae Kang offenbar vorausgeeilt, denn Besucher aus ganz Schleswig-Holstein waren nach Heide gekommen, um sie zu erleben. Bereits 2009 war die Gewinnerin zahlreicher Musikpreise zu Gast im Brahms-Haus, verbindet sie doch eine besondere Beziehung zu dem Komponisten mit Dithmarscher Wurzeln. 2010 beendete Kang ihr Studium mit einer Arbeit über die dritte Klaviersonate von Johannes Brahms mit Bestnote und Auszeichnung.

Shin-Heae Kangs musikalische Karriere begann bereits mit zwei Jahren, als sie die koreanischen Lieder ihrer Mutter auf dem Klavier nach Gehör nachspielte. Ein Jahr später erhielt sie ihren ersten Klavierunterricht. Im Alter von sechs Jahren wurde sie als jüngste Vorstudentin überhaupt an der Musikhochschule Lübeck aufgenommen. Danach studierte sie bis zu ihrem Abschluss vor fünf Jahren in Hannover weiter. 2011 wurde die große Pianistin Martha Argerich auf sie aufmerksam und fördert seitdem ihre Karriere.

Für ihr Heider Konzert hatte die Künstlerin ein technisch und künstlerisch hoch-anspruchsvolles Programm ausgewählt. Mit Werken von Scarlatti, Schubert, Chopin, Liszt und Brahms schlug sie einen großen Bogen durch die Klavier-Literatur und entführte die Zuhörer in eine Welt klassischer Poesie voller Klangfarben, wie man sie selten zu hören bekommt.

Faszinierend ist vor allem die gestalterische Bandbreite, die die Pianistin beherrscht. Kraftvoll zupackend, aber auch zart und zurückhaltend – schier unbegrenzt ist die Vielfalt der Darstellung. Das wurde schon deutlich bei der 25-minütigen „Wanderer-Fantasie“ von Franz Schubert. Ein nachdenkliches Adagio, ein heiter-aufgelockertes Presto, das fast tänzerisch erklang, aber auch kräftige Passagen darbot, führten zum emotional aufgewühlten Final-Allegro mit pompösem Schluss. Leicht und gefühlvoll hingegen war ihr Anschlag bei Scarlattis kurzer Sonata. Fast zärtlich schien sie bei Chopins „Nocturne“ die Tasten zu berühren, um dann beim virtuosen „Scherzo“ umso kräftiger die dramatischen Momente zu betonen.

Mit den „Paganini-Variationen“ von Brahms setzte Kang ihr Programm nach der Pause fort. Auch dieses Werk spielte sie in atemberaubender Technik und verstand es, den musikalischen Charakter selbst in schwierigsten Passagen herauszuarbeiten. Die Kielerin zeigte einen Komponisten, den wir aus dem Blickfeld verloren haben, nämlich Brahms, den Klaviervirtuosen mit seiner kauzigen Lust an pianistischen Kabinettstückchen und humorigen Verzerrungen.

Das Werk von Franz Liszt ist dem breiten Publikum weitestgehend bekannt. Und doch gibt es in seinem Oeuvre auch seltener gehörte Stücke. Wie seine „Rhapsodie espagnole“. Das schwer zu spielende Klavierstück, das auf sehr charmante Weise in eine spanisch-folkloristische Klangwelt entführt, erfuhr – wie zuvor die „Widmung“ – eine makellose Wiedergabe durch Shin-Heae Kang. Am Ende gab es Blumen, auch aus dem Publikum, ein Geburtstags-Ständchen und einen lang anhaltenden Beifall, der zu einem weiteren Chopin-Nocturne als Zugabe führte. (Text/Foto: Andreas Guballa)