Klavierabend auf höchstem Niveau
Startseite // Klavierabend auf höchstem NiveauSeit Benjamin Moser 2007 den Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb gewann, hat er einen klingenden Namen in der Pianisten-Szene und ist ein gefragter Solist. Am Sonntag gastierte er im Rahmen der Brahms-Wochen 2013 auf der Museumsinsel Lüttenheid und sorgte mit der Kraft und Klarheit seines Spiels für Begeisterungsstürme.
Benjamin MoserSchon seine Auswahl der Musikstücke der deutschen Romantik zeugte von seinem immensen Können, denn das verlangte enorme Technik wie anmutige Klangpoesie. Als Hommage an den Jubilar Richard Wagner begann der 31jährige mit dem hochemotional gespielten Tristanvorspiel in einer Klavierbearbeitung von Zoltan Kocsis. Roberts Schumanns „Kinderszenen“ op. 15 würden zu unrecht als melodische Fingerübungen für Klavierschüler verkannt, so der Münchner Pianist, der das Programm demnächst beim Klavierfestival Ruhr spielen wird. Vielmehr seien die Miniaturen Kindheitserinnerungen aus den Augen eines Erwachsenen – verpackt in tiefgründige und philosophische Musik, mit denen der Komponist Maßstäbe für die romantische Klavierliteratur gesetzt hätte. Als ob er sie in diesem Moment selbst erlebte, interpretierte Moser diese Charakterstücke voller Klangfarbe, mit beseeltem Anschlag und zarten Schattierungen.
Aufregend gelang die 1. Klaviersonate von Johannes Brahms. Man konnte sich deutlich vorstellen, welch tiefen Eindruck der zwanzigjährige Brahms gemacht haben muss, als er sie 1853 in Düsseldorf dem Ehepaar Robert und Clara Schumann als musikalische Visitenkarte hinterließ. Auch Benjamin Moser gelang es, die quasi-orchestrale Farbigkeit der Musik herauszuarbeiten und dabei den volumenstarken Klang immer geschmeidig und transparent zu halten. Schwer vorstellbar, dass sich Johannes Brahms unter dem Eindruck von Mosers Spiel nicht mit seinem Jugendwerk ein wenig ausgesöhnt hätte.
Die ganze Reife seiner Interpretationskunst zeigte der junge Pianist nach der Pause in Franz Schuberts Sonate B-Dur aus dessen Sterbejahr 1828. Mit 31 Jahren, im Alter des Interpreten, schuf Schubert ein Meisterwerk des frühen romantischen Klavierstils, das das ganze Spektrum der menschlichen Gefühle entfaltet und durch ihren Reichtum an Empfindungen überwältigt. Mit bewundernswerter Konzentration legte Moser die endlosen melodischen Ströme des Werkes frei, dosierte die dynamischen Kontraste sparsam, aber sehr pointiert, formte den Einzelton ebenso kultiviert wie die weiten Gesangslinien. Die einkomponierten Stockungen, in denen die Zeit stehen zu bleiben scheint, erfüllte er mit so viel Dramatik, dass auch von Pausen zersetzte Teile ihren formalen Zusammenhalt behielten. Die nie nachlassende Spannung löste sich am Schluss in stürmischem Beifall. Benjamin Moser dankte mit der Prélude „Das flachsblonde Mädchen“ von Claude Debussy. Beim anschließenden Künstlertreff wünschten sich viele Besucher ein baldiges Wiederhören mit diesem exzellenten und sympathischen Interpreten, vielleicht im Zusammenspiel mit seinem Bruder Johannes, der zu den herausragenden Cellisten der jüngeren Generation gehört und mit dem er gerade ein Kammermusikrepertoire erarbeitet. (Text/Foto: Andreas Guballa)