Frischer Wind im Klassikbetrieb

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Musikalisches Feuerwerk zum Auftakt der Brahmswochen

Mit einem fulminanten Doppelkonzert und einem kulinarischen Intermezzo wurden am Samstag die Brahms-Wochen 2016 im Stadttheater Heide eröffnet. Das englische Carducci Streichquartett begeisterte die Zuschauer zunächst mit einem klassischen Kammermusikabend, bevor die fünf Hamburger Teufelsgeiger von G-Strings ein musikalisches Feuerwerk über alle Genregrenzen hinweg entfachten.

Zwei Bühnen, zwei Streichensembles wie sie unterschiedlicher nicht sein können – dazu gutes Essen in entspannter Atmosphäre. So lautete nach dem Erfolg des letzten Jahres erneut das Konzept des Auftaktkonzerts der Brahms-Wochen 2016 im gut besuchten Stadttheater Heide.

Carducci String Quartet Foto GuballaGanz klassisch ging es los mit dem jungen Carducci String Quartet, das mit Feuereifer und jugendfrischem Elan bewies, das es zu recht als „Meister von morgen“ gefeiert wird. Schon im eröffnenden B-Dur-Quartett von Mozart ließen die ‚Carduccis‘ – ihre Spielfreude funkeln. So spritzig und zugleich delikat musiziert, wirkt der gute alte Mozart plötzlich wie neugeboren.

Das Streichquartett Nr. 11 von Dmitri Schostakowitsch führte in eine Welt der Trauer und Melancholie. Das musikalische Gedenkwerk an seinen kurz zuvor verstorbenen Jugendfreund Wassili Schirinski verliert lediglich im Scherzo etwas von seiner grüblerischen Dunkelheit. Auch hier durchlebte das Carducci Quartett die emotionalen Extremzustände mit einer Intensität, die einem den Atem raubte. Ohne dem Werk eigenes inspiratorisches Feuer und Emotionen aufzudrücken, ließen sie die sieben Charakterstücke als vielschichtige Trauerarbeit für sich sprechen. Als „kammermusikalische Zangengeburt“ hatte Johannes Brahms selbst sein Streichquartett a-Moll bezeichnet. Die kompakte Komposition ist vollgepackt mit enger motivischer und kontrapunktischer Arbeit, klanglichen und technischen Herausforderungen. Kein Problem für Matthew Denton (Violine), Michelle Fleming (Violine), Eoin Schmidt-Martin (Bratsche) und Emma Denton (Cello). Das anglo-irischen Ensemble brillierte auch hier durch seine Expressivität. Bei so einer bedingungslosen Hingabe an die Musik muss man sich um die Zukunft der Kammermusik keine Sorgen mehr machen.

Gestandene Musiker sind die fünf Streicher des NDR Elbphilharmonie Orchesters, die sich 1993 zu den G-StringsG-Strings Foto Guballa
zusammengefunden haben und seitdem gegen eingefahrene Hörgewohnheiten anspielen. Mit einem Klangfeuerwerk aus Klassik, Jazz, Tango, Rock und Pop überwanden Stefan Pintev und Rodrigo Reichel (Violine), Jan Larsen (Bratsche), Vytas Sondeckis (Cello) und Frank Skriptschinski (Kontrabass) musikalische Grenzen unterschiedlichster Genres. In außergewöhnlichen Arrangements eröffneten sie klopfend, zupfend und kratzend ungeahnte Möglichkeiten ihrer Instrumente. Mit ihrer ungeheuren Bandbreite vom „Hauskonzert mit Bierchen“ über das gespenstische Arrangement von Stings „Moon over Bourbon Street“ bis hin zur zartbitteren Poesie Astor Piazzollas erzeugten die G-Strings neue Hörraume für das begeisterte Publikum ohne den Originalen ihre Seele zu rauben. Das Publikum jubelte, die Teufels-Streicher strahlten. Das Experiment, durch die Brahms-Wochen frischen Wind in den Klassikbetrieb zu bekommen, ist gelungen.