Fest der Tasten und Töne

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Mit einem kraftvollen Finale enden die Brahms-Wochen 2015 in neuer Location

Was für ein Fest der Tasten und der Töne! Dort wo sonst Luxustransporter auf Käufer warten, herrschte am Sonnabend festliche Stimmung und gespannte Erwartung bei den rund 300 Besuchern der Sommer-Klaviernacht der Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein.

Mit dem ihnen eigenen Gespür für besondere Orte hatten die Organisatoren zum ersten Mal das Transport-Center von Nord-Ostsee-Automobile Heide als neue Spielstätte für den jährlichen Konzert-Marathon auserkoren. Gewidmet war das musikalische Sommerfest, das mit zwei langen Pausen auch den Gesprächen und dem Genuss von kulinarischen Gaumenfreuden aus dem Hause „Erheiterung Böhe“ Raum gab, der großen Klaviermusik und ihren Interpreten: Mit Katharina Treutler, Danae Dörken und Rolf Plagge war es dem Vorsitzenden Joachim Nerger gelungen, drei Künstler zu verpflichten, die das Publikum mit ihrem facettenreichen Spiel und einem abwechslungsreichen Programm in Begeisterung versetzten. „Eine Bereicherung des Heider Kulturlebens,“ war sich Wolfgang Weidig am Ende des Abends mit allen Anwesenden einig.

Katharina TreutlerMit differenzierter Dynamik und einem nicht zu schnellen Zeitmaß begann Katharina Treutler den Konzertmarathon mit zwei der acht Klavierstücke op. 76 von Johannes Brahms. Die in zahlreichen internationalen Wettbewerben ausgezeichnete Erfurterin fächerte in den Miniaturen ein vielfarbiges Kaleidoskop auf: von wehmütig bis graziös, von tänzerisch heiter bis düster-schaurig ist alles dabei. Mit den tonmalerischen Sätzen „Aus dem Volksleben“ von Edvard Grieg bewies Treutler ihre Qualitäten als versierte Pianistin und künstlerische Persönlichkeit. Einfühlsam oder auch knorrig zeichnete sie den rauen Charme der norwegischen Landschaft und den oft derben Humor ihrer Menschen nach. Von seltener Kraft war der dunkel getönte Anfang von Robert Schumanns Sonate fis-Moll op. 11, und auch darüber hinaus blieb die zierliche Frau dicht am Puls dieser an Schönheiten wie Abgründen reichen Musik.

Dass sie mehr zu bieten hat als flinke Finger plus Anderthalb-Oktaven-Griff, bewies nach der ersten Pause die Deutsch-Griechin Danae Dörken. Auch die 23jährige hatteDanae Dörken mit den „Vier Klavierstücken op. 119“ zunächst ihren Brahms im Gepäck. Virtuose Akkord-Figurationen setzten in Dörkens Interpretation erste magische Glanzpunkte. Kaum zu glauben, dass sie diese Komposition zum allerersten Mal öffentlich auf die Konzertbühne brachte. Johannes Brahms‘ Spätwerk umfasst auf kurzem Raum noch einmal das ganze Ausdrucksspektrum seiner Klaviermusik: Sehnsüchtiges und Fröhliches, Graziöses und Pompöses, Heiteres und tief Trauriges. Dörken gestaltete das Spätwerk des Komponisten mit Dithmarscher Wurzeln mit einer faszinierend persönlichen Note und traf den Sinn mit jeder einzelnen Note.

Auch Robert Schumanns Fantasie op. 17 spielte die in Wuppertal geborene Musikerin mit viel Poesie und traf auf ideale Weise den speziellen Ton, den diese Musik benötigt. Sie gab der Komposition Struktur und Relief, spielte mit Tempi und Klängen, mit Formen und Farben, und lotete die Partitur so nuanciert aus, wie es selbst die Großen der Szene nur selten hinbekommen.

Rolf PlaggeBereits drei Mal war Rolf Plagge zu Gast bei Konzerten der Brahms-Gesellschaft. Gern kam er daher der Bitte nach, auch einmal bei der Sommer-Klaviernacht zu spielen. Obwohl sich der Gewinner vieler Wettbewerbspreise mit Vorliebe wenig bekanntem Repertoire widmet, hatte sich der 55jährige in seiner Programmauswahl für zwei Klassiker der Klaviermusik entschieden. Kühn und aufwühlend gestaltete der Hochschulprofessor am Salzburger Mozarteum zunächst die Rhapsodien op. 79 von Johannes Brahms und arbeitete die symphonisch-dramatischen Züge der Komposition mit überlegter Kraft heraus. Mit imponierender pianistischen Brillanz und geradezu schwindelerregender Virtuosität beendete Plagge mit Franz Liszts Sonate h-moll das Erlebnis großer Tastenkunst. Da wirbelte, rauschte, explodierte es abschließend, dass man zeitweilig den Eindruck hatte, der Pianist müsse wohl jeweils vier Hände und Füße besitzen, um diesen unwiderstehlichen Mahlstrom in Gang zu setzen, der die Hörer unaufhaltsam in seinen Bann zog. (Text/Fotos: Andreas Guballa)