„Brahms‘ Kompositionen sind wie Muttermilch“

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Das Fauré Quartett erhältlich den Brahms-Preis 2012/ Interview mit dem Pianisten Dirk Mommertz

„Überflieger“ und „Shootingstars“ – über diese Bezeichnungen kann das Fauré Quartett nur geschmeichelt lächeln. Immerhin werden die Musiker von der Klassikszene schon seit Jahren wegen ihrer Originalität und Präzision geliebt. Die vier Musiker fanden 1995 beim gemeinsamen Studium in Karlsruhe zusammen. Ihr endgültiger Durchbruch gelang 2006 mit einer Mozart-Aufnahme. Zwei Jahre später erschien eine CD mit Kammerquartetten von Brahms. Die CD „Popsongs“ mit modernen Arrangements ausgesuchter Songs der Popgeschichte sorgte 2009 nicht nur in der Fachwelt und vor allem beim jungen Publikum für Aufsehen, sondern sicherte ihnen den zweiten ECHO Klassik. Am 20. Mai wird dem Fauré Quartett in der St. Bartholomäuskirche in Wesselburen der Brahmspreis 2012 der Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein verliehen. Andreas Guballa sprach mit dem Pianisten Dirk Mommertz.

Sie haben im Jahr 2008 für Ihre Einspielung der Klavierquartette von Johannes Brahms den ECHO Klassik erhalten sowie den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Nun wird Ihnen der diesjährige Brahms-Preis 2012 verliehen. Was bedeutet das für Sie?

Es gibt ja unterschiedliche Arten von Preisen; zum Beispiel Preise, für die man sich bewirbt und für die man auch Wettbewerbe fährt. Da ist man in starkem Konkurrenzkampf auf der Bühne und eineJury bewertet den Augenblick. Dafür bekommt man einen Preis oder nicht. So eine Auszeichnung wie der Brahms-Preis ist natürlich etwas ganz anderes. Er wird vergeben für etwas, was man über viele Jahre aufgebaut hat und woran man lange gearbeitet hat. Für uns bedeuten solche Preise natürlich wesentlich mehr als Wettbewerbspreise.

Erstmals erhält ein Kammermusikensemble diese Auszeichnung. Sind Klavierquartette zu wenig im Fokus der Öffentlichkeit? Immerhin haben Sie es 2008 sogar in die deutschen Klassik-Charts geschafft, was sonst nur Solisten wie Anna Netrebko oder Rolando Villazon gelingt.

Wir beobachten das mit großer Freude, denn es gibt einige Felder, auf denen wir als Kammermusikensemble Neuland betreten. Das liegt vielleicht daran, dass die Gattung Klavierquartett eher selten ist. Es gibt kaum feste Ensembles, die sich diesem Genre genauso verschreiben wie ein Streichquartett.

Was fasziniert Sie als Musiker an Brahms? Was macht Brahms‘ Klangwelt so eigentümlich und unverwechselbar?

Wenn man als Musiker in Deutschland aufwächst, ist Brahms so etwas wie Muttermilch. Er gehört zur musikalischen Basis, die man sowohl als Musiker als auch als Konzertgänger mit auf den Weg bekommt. Für uns hat jeder Komponist seine eigene Klangsprache. Bei der Einspielung der Brahms-Quartette haben wir uns intensiv damit auseinander gesetzt und bemüht eine Sprache zu finden, die ihm gerecht wird. Seine Musik hat so einen Fluss, eine Kraft, eine Energie, dass wir die Kompositionen mit dem großen Strom Rhein verglichen haben.

Welchen Stellenwert hat Brahms als Komponist für Sie als Quartett?

Das sind schon die zentralen Werte für Kammermusikquartette. Jedes Jahr haben wir mindestens ein Werk von Brahms in unserem Repertoire. Von den Kammermusikwerken insgesamt sind sie Höhepunkte der abendländischen Musik.

Wenn man Rezensionen über Sie liest, wird dort stets Ihre Originalität und Präzision gelobt. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Es gibt so viele Faktoren, die zum Erfolg führen. Ein Hauptfaktor ist sehr harte, gründliche und konsequente Arbeit; eine absolute Hingabe für das, was man macht. Unser Probenalltag ist sehr intensiv. Und wir wagen uns erst an ein Aufnahmeprojekt, wenn wir mindestens fünf Jahre daran gearbeitet haben. Dann hat Erfolg natürlich auch mit Glück zu tun. Auf der einen Seite müssen wir als Klavierquartett zeigen, dass die Gattung absolut gleichberechtigt ist mit dem Streichquartett. Das macht uns den Stand nicht leichter. Allerdings haben wir dadurch die Möglichkeit, die Leute zu überraschen. Schließlich nehmen wir uns den Luxus, ein Repertoire wachsen zu lassen und wir proben heute noch immer die Stücke, mit denen wir 1995 angefangen haben.

Kammermusik gilt immer noch als elitär. Können Sie durch Ihre Schulkonzerte Hemmschwellen abbauen, um den Zugang zu klassischer Musik zu erleichtern?

Dass das Klassik-Publikum jünger sein könnte, das ist uns schon ein Anliegen – nicht nur als Kammermusiker, sondern das wollen wir Musiker allgemein. Daher investieren wir viel Zeit bspw. für Schulkonzerte. Wir arbeiten sehr eng zusammen mit dem Projekt „Rhapsody in School“, das im September 2005 auf Initiative des Pianisten Lars Vogt [Brahms-Preisträger 2004; Anm. der Redaktion] gegründet wurde und seitdem mehr als 20.000 Schüler an über 700 Schulen erreicht hat. Seit diesem Jahr haben wir unser eigenes Festival, den Festspielfrühling Rügen, und verpflichten die Musiker, die wir einladen, uns an die Schulen zu begleiten.

Das hat den Effekt, dass die Jugendlichen in die Abendkonzerte kommen. Das sind so kleine Schritte, die man geht, aber die sehr wichtig sind. Auch durch die Produktion der CD „Popsongs“ konnten wir Türen aufgestoßen und ein Publikum erreichen, das sonst nicht auf Klassikkonzerten anzutreffen ist. Wenn nur ein Schüler dadurch abends in ein klassisches Konzert kommt, ist schon viel erreicht.

Wie werden Sie die Brahms-Preisverleihung am 20. Mai musikalisch gestalten?

Wir präsentieren uns dort natürlich mit dem Brahms schlechthin, also dem Klavierquartett op 25, das seine erste Aufführung mit Clara Schumann am Klavier feierte. Das setzen wir in Verbindung mit dem Fauré Quartett Nr. 2, dem weniger bekannten Werk unseres Namensgebers. Es ist experimentierfreudiger, moderner und spezieller als das C-Moll-Quartett, dem Klassiker der französischen Literatur. Dadurch dass die Komponisten sehr unterschiedlich sind, wird es ein sehr abwechslungsreiches Programm. Freuen Sie sich also auf eine unglaubliche Klangzauberei und zwei energiegeladene Werke.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Wir sind jetzt schon voll in der Vorbereitung des Festspielfrühlings Rügen im März 2013. Dann spielen wir kurz vor der Brahms-Preisverleihung in einem der schönsten Konzerthäuser Europas, dem Palau de la Música in Barcelona und anschließend zum ersten Mal in der Türkei. Das ist schon etwas aufregend, denn nach soviel Jahren gibt es kaum noch ein Land, in dem wir nicht waren. Die Konzertsaison bis zum Sommer geht heiß her; u.a. mit den Brühler Schlosskonzerten und zum Finale der Europa-Meisterschaft werden wir in Finnland auf einem Festival spielen. Außerdem bereiten wir eine neue CD vor, die nächstes Jahr erscheinen wird. Ein sehr spannendes Projekt, das so noch nicht da gewesen ist – mehr kann ich darüber aber noch nicht verraten.

Programm:

  • Grußworte von Prof. Eckart Besch und Kulturminister Dr. Ekkehard Klug
  • Johannes Brahms – Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op 25
  • Laudatio: KMD Professor Matthias Janz
  • Preisübergabe durch Prof. Eckart Besch
  • Gabriel Fauré – Klavierquartett Nr. 2 g-Moll op 45