Virtuose Tastentänze

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Motoi Kawahima vereint beim Adventskonzert der Brahms-Gesellschaft Technik und Emotion

Im nächsten Jahr feiert die Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein 25jähriges Jubiläum. In dieser Zeit ist viel passiert. Aber eine Konzertverzögerung durch einen defekten Treppenlift wird wohl einmalig in den Annalen des Vereins bleiben. Eine durchgebrannte Sicherung löste den Alarm – ein hochfrequentiges Piepsen – beim Behindertenaufzug auf der Museumsinsel Lüttenheid aus, der erst nach 15 Minuten durch den richtigen Dreh beendet werden konnte. Dieser Zwischenfall tat der Konzentration des Pianisten Motoi Kawahima aber offenbar keinen Abbruch, der im Laufe des Abends mit ausbalanciertem Programm, einwandfreier Technik und blitzschnellen Fingern beeindruckte.

Der Japaner kam nach seinem Konzertexamen in Tokio nach Europa, um sich in Weimar und Berlin sowie in zahlreichen Meisterkursen bei den ganz Großen seiner Zunft den letzten künstlerischen Schliff zu holen. Seitdem konzertiert er in den bedeutendsten Sälen und arbeitet mit renommierten internationalen Orchestern und Dirigenten. Klassikkenner der Region war der 38jährigen noch von der Klaviersommernacht im letzten Jahr bekannt, bei der er mit einer Stückauswahl auf sich aufmerksam machte, die ihren Ursprung in der Ballettmusik haben. Bevor der Pianist im März als Professor an die Musikhochschule Tokio in sein Heimatland zurückkehrt, gab’s nun noch einmal die letzte Chance ihn in Heide spielen zu hören.

An den Beginn seines Auftritts stellt er Mozarts Klassikhit, den „Türkischem Marsch“, und demonstriert mit virtuosen Tastentänzen eindrucksvoll seine Fähigkeit, kraftvoll angelegte Klavierläufe, mit romantischen Passagen voller Feinheit und Tiefgang zu verknüpfen.

Intensive Kontraste prägen Kawahimas Interpretation von Chopins „Polonaise-Fantasie in As-Dur op. 61“. Mit Nachdruck und Leidenschaft entfaltet er das emotionale Spektrum der Musik, ohne dabei in äußerliches Pathos zu verfallen. Sein ausdrucksvolles, zugleich aber tief verinnerlichtes Spiel vermittelt den Eindruck, einem Zwiegespräch zwischen Interpreten und Komponisten zu lauschen.

Als veritabler Klavierpoet entpuppt sich Kawahima nach der Konzertpause. Da werden Ravels Miniaturen „Valses nobles et sentimentales“ zu fantasiereichen Tänzen leichter Art und mit Schuberts „Wandererfantasie“, einem temperamentvollen, über weite Strecken heiteren Klavierwerk des großen Romantikers, führt der Japaner die Zuhörer musikalisch über Berg und Tal, durch wild zerklüftete Schluchten und reißende Gebirgsbäche, vorbei an romantischen Weilern und saftigen Weiden.

Mit Poulencs „Hommage an Edith Piaf“ und Schumanns „Träumerei“ belohnt der Solist das begeisterte Publikum reichlich mit Zugaben und stellt sich beim anschließenden Künstlertreff im Brahmshaus noch den interessierten Fragen der Fans über die Situation in Japan nach der Nuklear-Katastrophe sowie seiner künstlerischen Zukunft.