Verliebt in die Bratsche
Startseite // Verliebt in die BratscheSeit 35 Jahren ist sie die Geigen-Virtuosin schlechthin, stand bereits auf allen großen Bühnen der Welt und überzeugt mit ihrem Ausnahme-Talent. Für ihre künstlerische Leistung wird Anne-Sophie Mutter am 8. Juli in Wesselburen mit dem Brahmspreis 2011 der Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein ausgezeichnet. Mit ihr zusammen wird der russische Bratschist Vladimir Babeshko das Preisträgerkonzert gestalten. Der 27jährige ist als erster Bratschist Stipendiat des Freundeskreises der Anne-Sophie Mutter Stiftung. Diese Stiftung hat bereits Klassikstars wie Arabella Steinbacher und Daniel Müller-Schott gefördert. Andreas Guballa sprach mit dem Nachwuchs-Solisten.
Sie haben in einem Alter begonnen Musik zu machen, als andere Jungen lieber Fußball spielten statt ein Instrument zu lernen. Wann war klar, dass Sie
Solist werden wollen?
Ich wollte schon immer auf der Bühne stehen und für die Menschen Musik machen. Mit vier Jahren habe ich das erste Mal mit meiner Mutter darüber gesprochen und mir seitdem keine Sorgen machen müssen, dass es nicht klappen könnte. Ich habe es auch nie bedauert zu üben statt Fußball zu spielen.
Sie haben mit sechs Jahren angefangen, Geige zu spielen und sind dann mit 13 Jahren zur Bratsche gewechselt. Warum?
Der Klang hat mir besser gefallen; dieser warme, tiefere Ton. Ich habe später immer wieder versucht, diesen Ausdruck auf der Geige hinzubekommen, aber es hat mich nicht befriedigt. Und als ich dann Konzerte und Aufnahmen von Maestro Yuri Bashmet gehört habe, war ich endgültig in die Bratsche verliebt.
Sind Sie stolz darauf, als erster Bratschist Stipendiat des Freundeskreises der Anne-Sophie Mutter Stiftung zu sein?
Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich bin einfach glücklich, mit Frau Mutter zusammenarbeiten zu können.
Wie wird man Stipendiat der Stiftung?
Man muss sich bewerben, später vorspielen und mit Glück wird man ausgewählt. Ich weiss, dass Anne-Sophie Mutter sich persönlich jede Bewerbungs-DVD anschaut und die Musiker zum persönlichen Vorspielen einlädt.
Wie oft treffen Sie sie dann persönlich?
Das ist unterschiedlich. Ich bin einfach froh und glücklich, dass ich ihr vorspielen durfte. Und im März habe ich mit ihr und anderen Stipendiaten eine Kammermusik-Tournee gemacht. Außerdem kann man sich immer melden, wenn man eine Idee oder Fragen hat.
Was lernen Sie von Frau Mutter?
Die Ideen und Inspirationen, die sie hat, sind einfach toll. Man lernt beispielsweise wie man nach einem anstrengenden Flug im Konzertsaal sofort sein Bestes geben kann; wie man immer positiv denkt und freundlich ist.Auch im Umgang mit Journalisten und dem Publikum lernt man viel von ihr. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Energie sie hat. Nach der Tournee waren wir alle sehr erschöpft, nur Frau Mutter hätte gern noch eine Woche länger mit uns zusammengespielt.
Gibt es weitere Vorteile als Stipendiat?
Ich bekomme ein monatliches Stipendium, so dass ich mich weiter um meine Karriere als Solist kümmern kann. Außerdem zahlt die Stiftung Reisekosten, Hotelübernachtung und Meisterkursgebühren. Daneben organisiert Anne-Sophie Mutter das Vorspielen bei Dirigenten und vermittelt uns an Konzertagenturen. Diese persönliche Unterstützung von ihr ist sehr wichtig für uns Stipendiaten, denn sie ist ein Vorbild und immerhin eine der besten Musikerinnen der Welt.
Was braucht man heutzutage auf dem Musikmarkt, um Erfolg zu haben?
Bei Anne-Sophie Mutter reicht es, das Beste zu geben. Für uns junge Künstler muss noch viel Glück dazu kommen und die Konzentration auf die Musik.
Wie wichtig ist das Auftreten in der Öffentlichkeit und der Presse bei der Vermarktung als Künstler? Im Gegensatz zu Ihrem Bratschisten-Kollegen Nils Mönkemeyer scheinen Sie eher ein ruhigerer Typ zu sein.
Ich glaube, man darf keine Rolle spielen, sondern muss ganz authentisch sein. Dann wird man auch so akzeptiert wie man ist.
Was sind Ihre bisherigen musikalischen Highlights?
Im September 2010 war ich mit Anne-Sophie Mutter auf Tournee in Russland und wurde dort Valery Gergiev vorgestellt. Ihm durfte ich später auch vorspielen. Auch die Europa-Tournee im März mit den anderen Stipendiaten war fantastisch. Es war sehr lehrreich, sich jeden Tag auf einen neuen Konzertsaal einstellen zu müssen und frisch, energievoll und wach zu spielen.
Wie würden Sie Ihren momentanen künstlerischen Standort beschreiben?
Ich möchte meine Musik mit den Menschen teilen und mich immer weiterentwickeln. Ich glaube, ich bin auf einem guten Weg.
Es gibt Menschen, die meinen, ein gebürtiger Russe würden einen russische Komposition anders spielen als beispielsweise einen Brahms. Stimmt das?
Natürlich liegt mir ein Schostakowitsch oder Schnittke näher als ein deutscher Komponist. Aber deshalb ist Brahms nicht unbedingt schwerer für mich, sondern einfach anders. Im Zusammenspiel mit anderen Musikern lernt man aus deren Interpretation und entwickelt solche Stücke für sich weiter.
Hören Sie in Ihrer Freizeit auch klassische Musik?
Nein, ich höre überhaupt keine Musik.
Was können Sie als 27jähriger dafür tun, Gleichaltrige für Klassik zu begeistern?
Man muss ihnen die Angst vor einem Konzert nehmen. Viele glauben, man muss sich mit der Musik auskennen und gut gekleidet ins Konzert gehen. In kleinem Rahmen kann man über die Musik sprechen und mit dem Publikum kommunizieren, um diese Hemmungen abzubauen.
Was sind Ihre nächsten Pläne und Herausforderungen?
Ich freue mich schon sehr bei der Brahmspreis-Verleihung zusammen mit Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis spielen zu dürfen. Zusammen mit anderen Stipendiaten gibt es im Sommer dann ein Konzert beim Verbier Festival.
Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
In Russland sagt man, es bringt Unglück darüber zu sprechen. Daher schweige ich lieber zu dieser Frage.
Das wollen wir natürlich nicht riskieren. Viel Erfolg für Ihre Zukunft und danke für das Gespräch.