Erst klassisch, dann unkonventionell
Startseite // Erst klassisch, dann unkonventionellGefeierter Auftakt der Brahms-Wochen 2017 in der Fachhochschule Westküste
Ein klassisch-seriöser Auftakt und ein unkonventionell, lockerer Ausklang: Mit einem grandiosen Doppelkonzert und einem ungewöhnlichen kulinarischen Intermezzo wurden am Mittwoch die Brahms-Wochen 2017 im Foyer der Fachhochschule Heide eröffnet. Das in London ansässige Elias String Quartet begeisterte zusammen mit dem deutschen Klarinettisten Thorsten Johanns die Zuschauer zunächst mit einem romantischen Kammermusikabend, bevor das Quartett in einem zweiten Konzert mitreißende Fiddle-Musik aus Schottland spielte.
Im Dezember 1890 teilte Johannes Brahms seinem Verleger mit, dass er sein kompositorisches Schaffen abgeschlossen hätte. Glücklicherweise sollte es anders kommen: Fasziniert von der Musikalität des Klarinettisten Richard Mühlfeld, Solobläser aus dem Meininger Hoforchester, und der unvergleichlichen klanglichen Qualität seines Instruments komponierte der Hamburger Komponist mit Dithmarscher Wurzeln das Klarinettenquintett h-moll op. 115, das bis heute zu den Meisterwerken der Kammermusikliteratur gehört, ein Alterswerk voller Komplexität und Dichte.
Zum Auftakt der diesjährigen Brahms-Wochen interpretierten das Elias String Quartet aus London und der deutsche Klarinettisten Thorsten Johanns Brahms‘ musikalischen Lebensrückblick mit jugendlicher Frische und hinreißender Musikalität. Subtile Übergänge, Themen, die sich aus gegensätzlichen Bausteinen zu spannungsvollen, ästhetisch geschmackvollen Komplexen ausformen – einen Kosmos von Feinheiten birgt dieser Prototyp der Gattung. Und die fünf Musiker hatten es sich zur Aufgabe gemacht, bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt diese Feinheiten ans Tageslicht zu bringen. Selten dürfte Johannes Brahms‘ spätes Klarinettenquintett in so erlesener Abschattierung zu hören sein, ausgeführt von fünf vollendeten Könnern an ihrem Instrument. Insbesondere Johanns Klarinette schwebte mit wunderbarer Leichtigkeit, mit großen, eleganten Melodiebögen über den Streichern. Bei so einer bedingungslosen Hingabe an die Musik muss man sich um die Zukunft der Kammermusik keine Sorgen mehr machen.
Bereits im zuvor erklungenen Streichquartett a-moll op. 13, einem Geniestreich des jungen Felix Mendelssohn Bartholdy, hatte das Elias String Quartet bewiesen, dass es den vier jungen Musikern ein Anliegen ist, klangliche Möglichkeiten bis in feinste Nuancen auszuloten. Hier zeigten sich Sara Bitlloch (Violine), Donald Grand (Violine), Martin Saving (Viola) und Marie Bitlloch (Cello) als perfekt abgestimmtes Ensemble, das sich geradezu spielerisch die musikalischen Bälle hin und her warf und Hochspannungsmusik bot, die die rund 160 Zuhörer tief berührte.
Nach einem ungewohnten, kulinarischen Intermezzo, für das der Food Truck des Restaurants Marktpirat mit Pulled Pork und vegetarischem Fingerfood sorgte, zeigte sich das Elias String Quartet dann im Nachtkonzert von einer vollkommen anderen Seite. Unter dem Titel „Scottish Folk Tunes“ hatte der gebürtige schottische Geiger Donald Grand traditionelle Lieder, gälische Gesänge und selbstkomponierte Hochzeitsmusik aus seiner Heimat mitgebracht, das die vier Musiker mit derselben Hingabe spielten wie zuvor im kammermusikalischen Teil. Auch Thorsten Johanns hatte eigens für diesen Konzertteil irische Volksmusik für die Klarinette herausgesucht. Das Publikum jubelte, die Teufels-Musiker strahlten. „Fantastisch“ schwärmten Birgit Diener, Anke Frauen und Sabine Dethloff, denen es besonders der attraktive Klarinettist angetan hatte. Auch die Veranstalter freuten sich über das gelungene Auftaktkonzert in der Fachhochschule, das ein deutlich jüngeres Publikum in den neuen Spielort gelockt hatte als üblich.