„Beseelt von einer überbordenden Liebe zur Musik“

„Beseelt von einer überbordenden Liebe zur Musik“

Startseite // „Beseelt von einer überbordenden Liebe zur Musik“

Herbert Blomstedt mit dem Brahmspreis 2017 ausgezeichnet

Wenn die Brahms-Gesellschaft zur bundesweit beachteten Brahmspreis-Verleihung lädt, richtet sich die Aufmerksamkeit der Klassik-Welt für einen Tag auf den Westküstenkreis Dithmarschen. Hier wird seit 1988 die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung an Persönlichkeiten verliehen, die sich um das Werk und künstlerisches Erbe Johannes Brahms’ besonders verdient gemacht haben. Die Reihe der Preisträger liest sich wie das ‚Who is Who‘ der Klassikszene: Leonard Bernstein, Dietrich Fischer-Dieskau, Anne-Sophie Mutter, Thomas Hengelbrock, Christoph Eschenbach. In diesem Jahr fiel die Wahl auf den schwedischen Dirigenten Herbert Blomstedt.

„Mit Herbert Blomstedt erhält ein Künstler den diesjährigen Brahmspreis, der seit mehr als sechs Jahrzehnten mit herausragenden dirigentischen Leistungen das Konzertpublikum bereichert und beeindruckt“, so der Vorsitzende der Brahms-Gesellschaft Joachim Nerger. Mit der Auszeichnung verneige man sich vor einem Dirigenten, der auch in seinem neunten, bald zehnten Lebensjahrzehnt in unfassbarer Frische und mentaler Präsenz die großen Brocken der klassischen Literatur, darunter auch das sinfonische Repertoire von Johannes Brahms, auf Maßstäbe setzende Weise dirigiert. Blomstedt, der im Juli 90 Jahr alt wird, gelte weltweit als „Grandseigneur des Taktstocks“.

Herbert Blomstedt wurde 1927 im amerikanischen Springfield als Kind schwedischer Eltern geboren. Sowohl seine künstlerische Begabung wie seine Religiosität waren ihm in die Wiege gelegt. Sein Vater war Prediger und Missionar, die Mutter eine ausgebildete Pianistin, die ihren Beruf wegen einer rheumatischen Erkrankung jedoch nicht ausüben konnte. Als er zwei Jahre als war, ging die Familie nach Schweden zurück. „Aus der strengen adventistischen Erziehung seines Vaters nahm er die hoch kontrollierte Lebensweise mit, ein ungewöhnlich starkes Gefühl der Selbstverantwortlichkeit und die Ehrfurcht vor heiligen Texten – sei es die Bibel oder die Partitur eines Meisterwerks“, so die Musikwissenschaflterin Julia Spinola in ihrer sehr persönlichen Laudatio, die sich auf zahlreiche Begegnungen mit dem Maestro im Rahmen der Recherche zum gerade erschienenen Gesprächbuchs „Mission Musik“ stützten. Ersten Musikunterricht erhielt Blomstedt von der Mutter. Frühe musikalische Erfahrungen bekam er auch durch die zahlreichen Spielleute in seiner Verwandtschaft. Blomstedt studierte Musik am Königlichen Konservatorium in Stockholm und der Universität Uppsala. Weiteren Schliff als Dirigent holte sich Blomstedt in Kursen bei Jean Morel an der Juilliard School, bei Leonard Bernstein in Tanglewood sowie Igor Markevitch in Salzburg. Vor allem aber seien es die Orchester, die Blomstedt geprägt haben und die er bis heute als seine „Familien“ betrachtet, so die Laudatorin. „Sehr beeindruckt hat mich, dass er beinahe von jedem einzelnen Musiker bis heute eine charakteristische Geschichte erzählen kann.“ Nach Chefpositionen bei skandinavischen Orchestern ging es nach Dresden, nach San Francisco, zum NDR-Sinfonieorchester und schließlich als 18. Gewandhauskapellmeister (und Nachfolger Kurt Masurs) nach Leipzig. „Wenn Herbert Blomstedt dirigiert scheint es nichts Überflüssiges in seinen Bewegungen zu geben, kein Schwelgen und Rudern wie man es von manchem Feuerkopf unter den Dirigenten kennt. In der Verquickung von strenger Analytik und Phantastik, von akribischer Partiturgenauigkeit und einer von höherem Glauben getragenen Beseeltheit liegt ein Geheimnis seines Dirigierens. Sie sind beseelt von einer überbordenden Liebe zur Musik.“

Brahms sei für ihn eine Herzenssache, bedankte sich Herbert Blomstedt in einer launigen Rede für die Auszeichnung. „Mit Brahms verbindet mich eine große, langjährige Liebe. Schon als Schüler kannte ich die Sinfonien auswendig, weil ich regelmäßig ins Konzert ging. Und mit Brahms stand ich auch das erste Mal vor einem Orchester bei der Aufnahmeprüfung zur Dirigentenklasse.“ Auch als Mensche stünde Brahms ihm nahe. „Mir gefällt sein spröder, norddeutscher Humor,“ schmunzelte der Schwede verschmitzt. Umrahmt wurde die Preisverleihung von Bläsern und Streichern des NDR Elbphilharmonie-Orchesters, die mit Bach, Bruckner und Brahms wichtige Komponisten der Karriere Blomstedts interpretierten. „Eine würdige und beeindruckende Veranstaltung“ waren sich die Besucher einig, die sich anschließend noch mehrheitlich ein Autogramm vom Preisträger geben ließen. (Text/Fotos: Guballa)