Meisterliche Klavierkunst

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Jun-Ho Gabriel Yeo, Lisa Smirnova und Kevin Kenner beenden die Brahmswochen 2017 mit einer umjubelten Sommer-Klaviernacht voll schillernder Klangfarben, Emotionen und Melancholie.

„Wozu muss man da noch in die Elbphilharmonie nach Hamburg, wenn man ein solches Konzert in Heide erleben kann?“ so Klaus Ebersbach am Ende der umjubelten Sommer-Klaviernacht der Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein, die am Samstag im lichtdurchfluteten Transportcenter von Nord-Ostsee-Automobile die Brahmswochen 2017 beschloss.
Kevin Kenner, Lisa Smirnova und Jun-Ho Gabriel YeoAuch die anderen rund 250 Besucher waren beeindruckt von der virtuosen Leidenschaft der Künstler. Mit Jun-Ho Gabriel Yeo, Lisa Smirnova und Kevin Kenner hatten die Veranstalter drei Pianisten unterschiedlicher Altersgruppen, kultureller Wurzeln und Klavierschulen eingeladen, die die verschiedenen Facetten der Klavier-Kammermusik in schillernden Klangfarben meisterlich entfalteten. Farbenreich nuanciert, mit einer weiten auch dynamischen Bandbreite, mit Akkuratesse und Feingefühl interpretierte Jun-Ho Gabriel Yeo sein Programm mit einer erstaunlichen Reife. In Beethovens berühmte „Waldstein-Sonate“ beeindruckte der gerade mal 19 Jahre alte Koreaner mit technisch endlosen Trillerketten in beiden Händen und glissandoschnellem Laufwerk. Auch der „Ballade d-moll op. 10“ und den drei Fantasien aus Brahms‘ Klavierzyklus op. 116 entlockte der junge Virtuose trotz noch fehlender Lebenserfahrung mit einer bemerkenswert ausgereiften Interpretation leise Melancholie und vermittelte das Gefühl, an diesem Abend einem Ausnahmetalent zuhören zu dürfen. Auch Telse Volkers aus Krempel zeigte sich in der folgenden Pause besonders angetan von der jugendlichen Frische des Interpreten. „Bei solch‘ einem Talent muss man keine Angst um die Zukunft der klassischen Musik haben.“
Ausgesuchte Klanglichkeit traf anschließend auch bei Lisa Smirnova auf tiefe Empfindung und großen Ausdruck. Die gebürtige Russin mit Wohnsitz in Wien lebt ihre Kunst – für jeden Zuhörer auch sichtbar. Sie wird eins mit ihrer Musik. Kongenial vereint sie die östliche und westliche Klavierschule und hat sich zudem Friedrich Guldas Leitspruch zu eigen gemacht: „Spiele jeden Ton so, als ob es um dein Leben ginge“. Beste Voraussetzungen für die Interpretation von Haydn, Brahms, Schubert und Liszt. Mit einer wunderbaren Mischung aus Melancholie und mitreißend tänzerischen Melodien setzte die Brahmspreis-Trägerin von 1993 die ebenso zauberhaften wie halsbrecherisch virtuosen Klangbilder in Liszts „Ungarischer Rhapsodie Nr. 12.“ Spürbar hielt das Publikum zum furiosen Ende des Stückes die Luft an und bedankte sich mit stürmischem Applaus.
Von London auf dem Weg nach Korea machte Kevin Kenner einen Abstecher zur Heider Klaviernacht und überraschte das Publikum mit einem hier noch nie erklungenen Albumblatt von Johannes Brahms, das – 1853 komponiert – 2011 in einer amerikanische Bibliothek wiederentdeckt wurde und wohl das melodische Material für sein späteres Horntrio enthält. Nahtlos ging er zum Höhepunkt der Klaviernacht über, der höchst farbenreichen Palette an Werken Frédéric Chopins, für dessen Interpretation der Kalifornier weltweit gefeiert und ausgezeichnet wird. Welches Spektrum an Klangfarben Kenner dem Steinway-Flügel zu entlocken verstand, ist verblüffend.Von zart und elegant bis hin zu sehr stürmisch und kraftvoll präsentierte Kenner höchst facettenreich die kammermusikalischen Perlen des polnisch-französischen Komponisten. Mit allem Einfühlungsvermögen setzte er die verträumten Abschnitte des Werks um, ließ Stimmungen auftreten und unauffällig wieder verschwinden, elegant in andere übergehen. „Ich habe eine Gänsehaut“, raunte eine Zuhörerin ihrer Nachbarin zu. So meisterlich gespielt, so transparent – ohne jedoch die Werke zu sezieren, sondern sie in sensibelster Weise zu interpretieren – hört man Chopin live nicht alle Tage, waren sich die Fachleute im Publikum einig. Nur ein Austernfischer fühlte sich in seiner Nachtruhe gestört und verhinderte durch lautstarkes und schrilles Trillern eine Zugabe.
Trotzdem ein „rundum gelungener Abend“ so Ehepaar Hans-Jürgen und Anke Bloch, der mit zwei langen Pausen auch den Gesprächen und dem Genuss von kulinarischen Gaumenfreuden aus dem Hause „Erheiterung Böhe“ genügend Raum gab. (Text/Fotos: Guballa)